(Fortsetzung der Tour durch das Stadtmuseum, dem auch alle Texte und die historische Aufarbeitung gehört.)
Oldenburg um 1650
Das Modell „um 1650“ zeigt die Stadt, wie sie sich im letzten Drittel der Regierungszeit des Grafen Anton Günther (gestorben 1667) den Zeitgenossen darbot.
Jener berühmte „Pferdegraf“ hatte es durch geschickte Neutralitätspolitik verstanden, seine Haupt- und Residenzstadt aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) herauszuhalten. Gegenüber der Zeit seines Vaters Johann (gestorben 1603) hatte sich die Stadt nicht vergrößert, wohl aber war die Bebauung dichter geworden. Um das Jahr 1650 lebten ca. 3800 Menschen in Oldenburg.
Ins Auge fällt , dass die Umwehrung (ab 1630) wesentlich verstärkt worden war. Die Stadt zeigt sich als eine „Festung in niederländischer Manier“ mit gebrochenen Linien, weit vorspringenden Bastionen und vorgelagerten Ravelins. Nach wie vor war der Zugang in die Stadt an besonders gesicherte Tore, insgesamt fünf Stück, gebunden: Im Süden das Damm-Tor und dann weiter im Uhrzeigersinn das Eversten-Tor, Haaren-Tor, Heiligengeist-Tor und das Stau-Tor. Vor den Toren der Stadt lagen die Häuser der „Leute am Damm“ und „am Stau“, die erst später ein eingeschränktes Bürgerrecht erhielten.
An wesentlichen Neu- und Umbauten in der Regierungszeit Graf Anton Günthers sind u. a. zu nennen: das Schenk- und Versammlungshaus der Kaufleute und Handwerker, der „Schütting“ an der Ecke Lange Straße/Schüttingstraße (ab 1605); vor allem die Umgestaltung der mittelalterlichen „Wasserburg“ zum „Wasserschloss“ (ab 1607); der neue Erweiterungsbau des Rathauses (1635) gegenüber der spätmittelalterlichen St.-Lamberti-Kirche: die St.-Nikolai-Kirche an der heutigen Kleinen Kirchenstraße (Neuweihe 1645).
Neun Jahre nach dem Tod Graf Anton Günthers (1667), im Jahre 1676 durch Blitzschlag, wurde die Stadt vom Großen Stadtbrand heimgesucht. 75% der Gebäude wurden zerstört. Der Wiederaufbau, der Jahrzehnte dauerte, geschah unter Beibehaltung des alten Straßennetzes auf den ursprünglichen Grundstücksparzellen – insgesamt also auf einer Siedlungsfläche, die weitgehend identisch ist mit der heutigen Innenstadt (Fußgängerzone).
Am 27. Juli 1676 (alter julianischer Zeitrechnung, nach neuer gregorianischer war es der 6. August) ruinierte ein Schadensfeuer die Stadt Oldenburg in einem Maße, wie es bis dahin noch nicht vorgekommen war. Nachmittags hatten sich riesige Gewitterwolken aufgetürmt und gegen 17 Uhr drei Blitzeinschläge die Stadt in Flammen gesetzt. Die Feuersbrunst hielt mehrere Stunden an, und am Ende waren 3/4 der Gebäudesubstanz zerstört. Erst nach 100 Jahren hatte die Stadt sich wieder erholt und dieselbe Häuser- und Einwohnerzahl wie vor dem Brand.
Und die Juden?
Der erste schriftliche Beleg dafür, das Juden in Oldenburg lebten, stammt noch aus der Zeit vor der Stadtrechtsverleihung. Eine Protokollnotiz vom 13. Dezember 1334 hält fest, dass die „Ratmannen und die Weisesten der Stadt“ vereinbart hätten,
- keinem weiteren Juden eine verbriefte Aufenthaltsgenehmigung (modern gesprochen) zu erteilen,
- künftig ablaufende Aufenthaltsgenehmigungen nicht zu verlängern.
Von Anfang an also findet sich – wie andernorts – die Ausgrenzung von jüdischen Mitbewohnern und deren Rechtsunsicherheit dokumentiert.
Wie viele Personen jüdischen Glaubens seinerzeit in Oldenburg lebten, ist unbekannt (sicher nur wenige). Auch die Stadtrechtsurkunde vom 6. Januar 1345 schweigt sich darüber aus. Die Oldenburger Grafen bestimmten darin,
- dass der Judenschutz ihnen gehört (d.h. sie das Recht zur Ausstellung von Schutzbriefen besitzen und die Abgaben daraus erhalten),
- die Juden sich nicht als Händler betätigen, sondern nur Geldgeschäfte betreiben dürften,
- der Zins dabei (der „Wucher“) sich am Bremer Beispiel orientieren sollte.
In der Folgezeit verlieren sich die Spuren; es muss, dabei offen bleiben, ob aus Mangel an Zeugnissen oder weil Juden – wie in Wildeshausen – gewaltsam vertrieben worden waren.
Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts lässt sich ein Neubeginn jüdischen Lebens in der Stadt nachweisen: 1692 privilegierte der neue Landesherr, König Christian V. von Dänemark, die Juden Joseph und Jacob Abraham(s) aus Altona mit dem Wohnrecht in der Stadt Oldenburg.
Weitere jüdische Familien zogen zu, aber erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts konnte sich eine kleine jüdische Gemeinde aus den mittlerweile 15 ortsansässigen Familien (1818; 1826: 13) formieren. Ein jüdischer Friedhof wurde (nach 1814) vor den Toren der Stadt (heute: Dedestraße) eingerichtet, Gottesdienst lange Jahre in einem umgenutzten Haus in der Mühlenstraße gehalten. Seit 1854 besaß man eine eigene, neu errichtete Synagoge mit zugehörigem Schulgebäude an der Peterstraße (die dann, 1905 umgebaut, in der sogenannten „Reichskristallnacht“ 1938 zerstört wurden).
Der Schmuckstein aus der Giebelzier mit der Inschrift „Bet Elohim“ (Haus Gottes) findet sich heute in der Gebäudefront der 1995 eingeweihten Synagoge an der Wilhelmstraße.
Anmerkung: Die Wilhelmstraße wurde am 3. März 2013 in „Leo-Trepp-Straße“ umbenannt.
Wem gehört(e) das Rathaus?
Natürlich allen Bürgern – aber nicht sie tagten darin, sondern ihre Vertretung: der Rat unter dem Vorsitz des Bürgermeisters. Hier wurden die städtischen Belange beraten, Verhandlungen geführt und zu Gericht gesessen, aber auch Feste gefeiert und repräsentiert.
Seit wann genau im 14. Jahrhundert es diesen zentralen städtischen Ort am Markt gab, ist ungewiss. Die erste Abbildung vom Oldenburqer Rathaus stammt aus dem Jahr 1598.
Es handelt sich hierbei um einen schon erweiterten Bau, der an der Schmalseite, zum Markt hin, von einem dreibögigen Laubengang mit darüber liegender „Audienzstube“ und zwei Treppengiebeln geziert worden war.
Seit 1624 mehrten sich die Klagen über Baufälligkeit, 1635 wurde dann tatsächlich eine „Renovierung“ in Angriff genommen, in deren Folge eine neue Frontseite nach den Plänen des Rats- und Schlossbaumeisters Otto Schwertfeger entstand (1635/41).
Die Finanzmittel für den Bau stammten nicht aus einem allgemeinen Steueraufkommen (das es noch nicht gab), sondern waren durch freiwillige Gaben („Verehrungen“) von den Einwohnern der Stadt aufgebracht worden. Am meisten gaben die gräflichen Beamten und die 18 Personen des Ratskollegiums. Sie, Bürgermeister und Ratsherren, unterstrichen damit, was das Rathaus ihrem Selbstverständnis nach war: ihr Haus.
Das charakteristische Erscheinungsbild des Schwertfeger-Neubaus wurde wesentlich von den fünf Volutengiebeln bestimmt (drei an der Längs-, je einer an der Schmalseite). Über der Eingangstür prangte das Stadtwappen. Wer aber – im übertragenen Sinne – Herr Im Haus war, fand seinen Ausdruck im darüber angebrachten Wappenschmuck des Landesherrn (Doppelwappen Graf Anton Günthers und seiner Gemahlin).
350 Jahre lang hatte das Rathaus-Gebäude Bestand. Zur Jahreswende 1885/86 wurde es wegen Baufälligkeit abgerissen und durch einen 1888 eingeweihten, heute noch bestehenden Neubau auf dreieckigem Grundriss an der selben Seite ersetzt.
Beim Abriss 1885/86 waren unterschiedlich alte Mauerzüge freigelegt worden, aus denen sich der Grundriss des ersten Rathauses herauslesen lässt.
Ja Geschichte ist echt interessant :) Liest sich gut…