Einstellung, Haltung, Meinung, Überzeugung

Man kann sicher darüber streiten, wie sinnvoll es ist seine Gedanken zu arbeitsrechtlichen Themen in ein Blog zu schreiben. Vor allem weil man sich bewusst ist, dass der Arbeitgeber mitliest. Ich möchte hier trotzdem mal wieder etwas hinterlassen. Und nicht nur wischi-waschi. Und warum sollte ich meine Meinung nicht mehr äußern dürfen?

Das letzte Wochenende war kein leichtes. Am Donnerstagabend wurde ich von meinem Kontakt beim Ingenieurdienstleister angerufen. Er hatte gutes im Sinne. Morgen früh Vorstellungsgespräch für eine Stelle mit sehr gute Förderung durch einen, mir fachlich recht ähnlich ausgerichteten erfahrenen Ingenieur. Okay. Dafür werde ich bezahlt. Trotzdem völlig unvorbereitet da hinein? Da ich nach meinem Umzug noch kein Internet habe (und wahrscheinlich noch eine Weile nicht haben werde), telefoniere ich also rum und lasse mir vorlesen, was das für ein Unternehmen ist. Und ich hoffe da schon, dass ich für das einzige nicht militärische Unternehmensfeld vorgesehen bin. Später stellt sich heraus, dass in Hamburg Torpedos gebaut, gewartet und umgerüstet werden.
Nach einer gut gelaufenen Vorstellung am nächsten Morgen und einer kurzen Führung kommen wir zwei Bewerber zurück: Zum Abschluss werden wir gefragt, wie denn die Einstellung zu militärischen Entwicklungen sei. Mein Kollege hat keinerlei Bedenken, ich versuche mich an einem Kompromiss: “Solange ich nicht direkt die Waffen zusammen schraube, könnte das gehen.”, “Wenn Ihnen nach einem halben Jahr aber einfällt, dass der Job doch nichts für Sie ist, dann haben wir nichts gewonnen. Keine halben Sachen.”, ernte ich als Reaktion. Nunja, ich soll mir bis Montag überlegen, ob ich dass kann und will. Mein Manager versorgt mich auf der Rückfahrt mit verschiedenen Gedankenanstößen, woran man so etwas festmachen könnte. Und was man bei seiner Standortsuche beachten sollte. Dass der freie Arbeitsmarkt ziemlich leer ist, muss er nicht extra erwähnen. Trotzdem bin ich dankbar und “der Mensch steht an erster Stelle” lässt mich hoffen. Dass ich bereits im Vorstellungsgespräch beim Dienstleister zu Protokoll gegeben hatte, dass ich Bauchschmerzen mit Kriegsgerät hätte und Zivildienst für mich nicht einfach nur der entspanntere Weg war, wurde ihm aber hier wieder bewusst.

Wie komme ich also nun zu einer Entscheidung? Ich habe mir verschiedene Meinungen angehört. 90 Prozent sagten, dass ich mir genau überlegen solle, ob ich das nicht doch könnte. Vor allem, weil ich das Geld brauche, weil ich gerade hierher gezogen bin, weil der Markt schlecht aussieht. Weil man garnicht sicherstellen kann, dass etwas nicht vom Militär verwendet wird (Klebeband, Schrauben…). Weil das ja nicht für die Ewigkeit sein muss. Weil es einfach einfacher ist sich dem Druck zu beugen und Waffen zu bauen – sonst macht es jemand anderes. Und weil das Risiko auf die Straße gesetzt zu werden und damit garnichts mehr zu haben groß ist. Und weil man schlafen und essen muss.
Alle waren der Ansicht, dass ich das selbst entscheide müsse. Verdammt ;-) . Trotzdem es quasi alle machen würden, war mind. die Hälfte der Befragten dagegen. Also persönlich. Weil es egal ist ob ich den Zünder montiere oder Einkäufe im SAP verbuche. Es ist und bleibt ein Rüstungsunternehmen. Weil es nicht zu kontrollieren ist, wer mit welchen Waffen später was anstellt. Ich lasse mir ja ebenfalls nicht diktieren welchen Tee ich in meinen Becher fülle. Weil es nicht zu kontrollieren ist, wie sich Waffen verbreiten. Wenn es so wäre gäbe es keine bewaffneten Terroristen und “unter der Hand”-Geschäfte mit Waffenlobbyisten. Und selbst wenn es Regelungen und Gesetze gibt ,wer hält sich daran? Kam nicht gerade letztes Jahr heraus, dass ein sehr renommierter Hersteller von High-Tech Messsystemen – der im Übrigen auch in Hamburg ansässig ist – Geräte an “verbotene” Staaten verkaufte. Es ehemaliger Mitarbeiter brachte das ans Licht, das Unternehmen leugnet bis heute.
Klar muss mir sein, dass ich nie vorhersehen kann zu welchem Zweck etwas gebraucht wird. Sowohl Auto als auch Kugelschreiber können zur Mordwaffe werden. Ein Armee-Transporter kann aber immerhin auch Hilfslieferungen transportieren. An einen Torpedo klemmt aber wohl niemand ein Paket Schwimmwesten – als Zeichen des guten Willens ;-)

Ich habe mir nach der Erfahrung im dualen Studium gesagt: Wenn ich noch ein Mal studieren sollte, dann definitiv den klassischen Weg. Und ich möchte nie wieder etwas _nur_ für Geld machen. Weil: Es wird nicht gut. Aus meiner persönliche Erfahrung bin ich auch gegen Gewalt. Mir ist kein Problem bekannt, das auf dieser Welt jemals durch so etwas gelöst worden wäre. Nun kann man sagen: Jaaa, aber die anderen haben auch Waffen. Stimmt, aber ich bin nicht “die anderen”. Und wenn die anderen meinen sich bekriegen zu müssen, sollen sie das machen. Und ich ziehe den Hut vor Menschen die wirklich aus innerster Überzeugung sagen: “Ich stehe für mein Land ein. Und sei es mit meinem Leben”. Ich könnte das nicht. Erst recht, wenn man sich vor Augen hält, dass unsere Grenzen nur politische sind…
Eine Zeit lang könnte ich sicher auch Waffen bauen. Aber zu welchen Preis? Abwaschen kann ich das nicht mehr – ich hätte es ja gemacht. Für immer, auch wenn vielleicht nur für einen kurzen Zeitraum. Weil ich mir selbst am nächsten gewesen wäre. Weil die Situation scheiße war. Ich könnte nie mehr wirklich diskutieren, weil ich selbst nichts anderes gemacht hätte. Ich könnte eigentlich auch alle weltverbesserischen Gedanken ablegen. Wäre ja nun auch egal – der Damm wäre gebrochen und von nun an vieles einfacher.
Aber noch sträube ich mich dagegen. Aber wofür habe ich eine Einstellung, wenn sie nun wo es darauf ankommt nichts mehr wert ist? Mit wie viel Geld kann ich mein Gewissen aufwiegen?
Und ich hoffe, ich werde auch nach meiner Entscheidung gegen diese Arbeit unterstützt. Irgendwie und von irgendwem.

Am Montag wartete ich auf den Anruf. Er kam nicht. Jedenfalls nicht so schnell wie ich es wollte. Ich schrieb mir noch mal auf, was ich sagen wollte: Nein. Und dann ging die Kritzelei auf der großen weißen Restfläche los, die ein A4-Bogen so bietet.

Plan B?

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0 Antworten zu Einstellung, Haltung, Meinung, Überzeugung

  1. Nik sagt:

    Hey Frank, das ist ein beeindruckender und umfassender Artikel der deine Situation gut schildert. Ich kann deine Gedanken nachvollziehen und mir ist bewusst wie komplex dein Problem und schwierig die Situation ist. An deiner Stelle würde ich, egal wies weitergeht, sofort die Finger davon lassen. Wenn man für das Geld eine derartige persönliche Grundeinstellung ignoriert, läuft irgendwas falsch. Die Frage wär auch wie gut ich mich für die Aufgaben im Detail motivieren könnte. Der schlechteste, verrückteste und unpassenste Plan B ist besser als für die Rüstungsindustrie zu arbeiten, auch wenn es diesen Plan B erst morgen, übermorgen oder nächsten Monat gibt – meine Meinung.

    lg, Niklas

  2. Mark sagt:

    Frank, was glaubst du, warum dir 90% erzählen, du könntest es ja mal versuchen und so? Weil sich dich keiner in einem solchen Unternehmen vorstellen kann, es dir aber nicht noch unbedingt auf die Nase binden möchte, damit es dir nicht noch schlechter ginge, wenn du doch angenommen hättest. Gut, dass du es nicht getan hast!

  3. Der "Manager" :-) sagt:

    Die Vorstellung bei dem Rüstungsunternehmen und die Absage sind nun schon einige Tage her. Die Zeit zwsichen der Absage und heute war bestimmt kein Zuckerschlecken. Schließlich ist immer noch kein sicherer Einsatz in irgend einem Projekt gestartet. Und es kommen mit Sicherheit Fragen: Werd ich nun gefeuert? Wie lange schaut man sich das an, dass ich ohne Einsatz bin? Wie lange können „die“ sich das überhaupt leisten, wenn „die“ denn überhaupt wollen? War das mit „… der Mensch steht im Vordergrund…“ nur einfach Gerede? War meine Entscheidung richtig? Vielleicht hätte ich ja gar nichts mit Waffentechnik zu tun bekommen und wäre in einem Rüstungsfernen Bereich eingesetzt worden? Wie bezahl ich all meine Verpflichtungen, wenn ich den Job (bei dem ich derzeit nichts zu tun habe) wieder verliere? Vielleicht hätte ich doch zusagen sollen…?

    Manchmal ist es verdammt hart und schwer, zu seinen Idealen zu stehen. Und in solchen Momenten fragt man sich, ob es die „richtigen“ Ideale sind, die man meint, in Stein meißeln zu müssen.

    Ich antworte mal sportlich: Wenn jemand die Eier hat (wie man heute ja so gerne sagt), einen sicheren Job abzulehnen, weil er auch morgen noch in den Spiegel schauen möchte, sollte „der Manager“ doch auch die Eier haben, zu seiner Ausage zu stehen und alles in seiner Macht stehende tun, damit es endlich los geht. Außerhalb der Rüstungsindustrie. Mit spannenden Projekten. Mit anspruchsvollen Aufgaben.

    Keiner weiß, was morgen ist. Aber jeder muß mit dem Gestern leben! Alle wollen Verantwortung für die Zukunft übernehmen und stehen noch nicht mal zu ihrer Vergangenheit. Insofern geht das wohl in Ordnung, wenn wenigstens der eine oder andere so lange wie möglich versucht, seinen eigenen Aussagen und Idealen treu zu bleiben. Das Leben wird früh genug den einen oder anderen Kompromiss einfordern …

    Viele Grüße!

  4. Torsten sagt:

    Hey „kleiner“ Bruder:)

    Nach dem du mich ja heute abend mal wieder mit der Nase auf deine Seite gestossen hast, habe ich mir diesen Beitrag mal in ruhe durchgelesen.
    Ich muß sagen, ich finde die Gedankengänge und Überlegungen zu deiner Einstelllung echt gut,auch wenn, wie du weißt ich diese nicht immer teile. Naja war ja auch beim Bund, hab da Raketen zusammengeschraubt….

    Was ich eigentlich sagen wollte :“RESPEKT“ für deine Entscheidung!!!!Der gilt auch für deinen Manager, ich weiß aus eigener erfahrung, das in der wirtschaft heute Absprachen schnell vergessen oder markulatur sind, vorallem bei Zeitarbeit…

    Mach weiter so! LG Torsten

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